Tag 252 (China): km Markierung 82 auf der G310 - das Gelbe Meer (keine Ahnung, was ich hier schreiben soll)
Tagesstrecke: 61km
Gesamtstrecke: 15,404km
Fahrzeit: 3-4h, aber im Ernst: wen interessiert das?
Das Gelbe Meer. Und ich.
Ich bin da. Am Gelben Meer. Heute. Etwas weniger als 10 Monate hat es gedauert. Damals hatte ich angefangen im Schwarzwald in die Pedale zu treten und nun bin ich am anderen Ende des Kontinents angekommen. Die Idee war ja nicht nach Peking zu radeln, sondern ans Gelbe Meer. Das lag nun vor mir. Als ich mich naeherte, flossen Traenen meine Wangen herunter - eine Sturm der Gefuehle in mir. Und viele Erinnerungen der Reise. Dann roch ich die salzige Luft. Dann lag es vor mir.
Das Ende der Reise in vielerlei Hinsicht, aber wohl nicht wirklich. Sowas dauert und geht wohl nie ganz zu Ende. Ich hatte keine wirkliche Ahnung vor 10 Monaten, wie es vielleicht sein wuerde, wenn ich ankomme und auch heute morgen hatte ich das noch nicht. Ich liess es einfach auf mich zukommen. Und die Gefuehle waren ueberwaeltigend als ich die letzten Meter hinter mich brachte und mich dann am Meer einfach nur hinsetzte. Ich versuche das mal irgendwie in Worte zu fassen:
- Freude: ich hab’s geschafft!, vom Schwarzald bis zum Gelben Meer
- Unglaube: habe ich das wirklich getan?, vom Schwarzwald bis zum Gelben Meer? Zwick mich mal einer!
- Dankbarkeit: dafuer, dass ich gesund und heil angekommen bin; ich weiss, das einige sich Sorgen gemacht haben; ich bin froh, nie einen Unfall gehabt zu haben (auch wenn es mehrfach eng war), niemals ernsthaft verletzt war und nie in persoenlicher Gefahr war
- leichte Anfluege von Wehmut: waehrend ich froh war, hier zu sein ist das nun auch das Ende eines Abschnitts; die fast gaenzlich von Freiheit gepraegten Tage sind nun wohl vorbei … und ich werde sie bitter vermissen
- Einsamkeit: ich war alleine am Meer, keiner, der mich in Empfang genommen haette; irgendwie war das wohl auch gut so - alleine mit sich zu sein in diesem Moment und seinen Gedanken nachhaengen; aber zum ersten Mal in vielen Monaten fuehlte ich mich tatsaechlich alleine
- Erschoepfung: die letzten Wochen waren anstrengend und haben mir ziemlichl viel abverlangt, sowohl koerperlich, aber auch emotional; als ich so da sass, konnte ich die Wellen der Erschoepfung foermlich ueber mich hereinbrechen fuehlen
- und eine ueberwaeltigende und grosse Leere, die sich zu oeffnen begann … das alles hinter mir zu lassen wird nicht einfach, aber die Erinnerungen an diese Reise werden immer bei mir sein
Haben sich die ganzen Strapazen der letzten Wochen und Monate gelohnt? Ich weiss es nicht und will mir dazu gerade nicht so viele Gedanken machen. Vielleicht jetzt nur so viel: ich glaube schon. Waehrend der letzten Tage und Wochen habe ich eine Vielzahl von Nachrichten erhalten, die den Tenor hatten: Danke, dass ich mit auf der Reise dabei sein darf. Das war mehr, als ich erhoffen durfte. Ich selbst habe so viel von dieser Reise mitgenommen, dass ich das nicht in Worte fassen kann. Aber vielleicht kam das in den letzten Monaten ja auch so rueber.
Und vor allem will ich mich bedanken: bei DIR! Genau, Dir. Ohne die Leser des Blogs haette ich das nicht geschafft. Daher: vielen, vielen Dank.
Und nun einige Rohdaten:
Gesamtstrecke auf dem Rad: 15,404km
Strecke mit anderen Mitteln: ca. 1,300km
Hoehenmeter: weit ueber 100km
Reisetage: 252
Platten: 0
Hilfreiche Menschen: zu viele, um sie zu zaehlen
Der Tag begann irgendwie merkwuerdig. Ich fuehlte mich nicht schlecht, ich fuehlte mich nicht gut. Ich war da und ich wusste, dass ich die Kueste erreichen wuerde. Und ich wusste, dass heute die Tour auch zu Ende sein wuerde. Das hier nahm ich als gutes Omen.
Und so machte ich mich auf den Weg und rollte die Strasse lang. Die km Markierungen flogen nicht an mir vorbei, es ging langsam voran. Aber ich wusste, dass ich ankommen wuerde. Ich machte irgendwann Pause:
Und fuhr dann weiter. Ich beschloss nach Norden zu fahren, um so eine groessere Stadt zu umgehen. Und dann fuehlte ich, wie ich ans Meer gezogen wurde. Riechen konnte ich es nicht, dazu stand der Wind falsch. Aber ich wusste, dass ich nahe dran war und irgendwann machte ich mich ab von der grossen Strasse und bog nach Osten. Ich faedelte mich ueber kleine Strassen und machte einfach weiter. Dann kam ich an einen Fluss mit einem Damm und einer Strasse drauf. Entlang dem Fluss musste es zum Meer gehen. Ich wollte endlich ankommen. Und dann auch wieder nicht. Aber eigentlich schon. Und dann sah ich zwei grosse Gebaeude, einen km von einander entfernt. Fluttore. Das musste das Meer sein. Eine Baustelle. Dann konnte ich die Salzluft riechen. Und dann war ich da, setzte mich einfach nur hin.
Ich weiss nicht, wie lange ich so da sass, aber ich machte mich irgendwann auf den Weg nach Ganyu und fuehlte wie die Wellen der Erschoepfung ueber mir zusammen brachen. Hatte ich so noch nie gespuert. Ich ging in die Stadt, machte nicht viel, duschte lange …
Es wird noch eine Reihe von Eintraegen hier geben. Ich fahre nun nach Peking mit dem Bus und dann geht’s erst mal nach Deutschland.
3 comments
Hallo Markus,
klasse, dass du es geschafft hast. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung! Lust auf ne Runde biken im Schwarzwald? Nur für den Fall, dass du Entzugserscheinungen hast. Würde mich freuen. Und nen Schwarztee bekämst du natürlich ebenfalls. Nur, um die Sache abzurunden! Viele Grüße aus Lahr. Daniel.
Hallo Markus,
auch ich möchte Dir zu dieser außergewöhnlichen Leistung gratulieren!!! :-)) Ich habe von Anfang an Deine Reise mit verfolgt und habe immer wieder Deinen Mut und Dein Durchhaltevermögen bewundert!!! Nun wünsche ich Dir einen guten Rückflug in die Heimat und alles Gute für Deine Zeit nach dieser Reise…
Freundliche Grüße
Astrid
Hallo,
Glueckwunsch auch aus der Heimatstadt Gengenbach! Eine bewundernswerte Leistung! Sich trotz Rueckschlaegen und Schwierigkeiten nie entmutigen zu lassen dazu gehoert unglaublich viel Ausdauer und Wille das gesteckte Ziel zu erreichen. Auch von mir alles Gute fuer die neue Herausforderung nach der Tour.
Die tollen Berichte der Reise werden mir fehlen.
Viele Gruesse
Lothar
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