Mit dem Fahrrad vom Schwarzwald zum Gelben Meer
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Category — Türkei

Tag 50 (Türkei): raus aus Istanbul I

today’s distance: 45km
total distance: 3863km
riding time: 2h

Es war Zeit Istanbul zu verlassen. Meinem Magen ging es besser, wenn auch nicht super gut. Ich verabschiedte mich von den Eltern von Gokce, die morgen nach Ankara aufbrechen werden, wo ihre Wohnung ist. Sie hatten  die Wohnung von Tolga, ihrem Sohn fuer einen Monat in Beschlag genommen und dann kam auch noch ich. Vielen Dank fuer alles - an alle!!!

Ich hatte die Wahl zwischen Autobahn und Kuestenstrasse, beides mit Vor- und Nachteilen. Ich nahm die Kuestenstrasse, was die bessere Wahl war. Der Verkehr war wieder ein wenig verrueckt, aber nach ein paar Um- und Abwegen war ich wieder am Meer und nahm einen Fahrradweg. Ein letzter Blick zurueck auf die europaeische Seite. Wehmut? Nicht wirklich. Ich freue mich auf das, was kommt. Was auch immer kommen mag.

Ich kam in Kartal an, dem Ort, in dem Husseins Familie wohnt. Hussein ist Masseur und hat mich wieder fit gemacht, nachdem ich mit Pfeiffer’schem Druesenfieber und Kopfschmerzen im Bett lag. Ein Teil seiner Familie wohnt in Kartal. Das Haus war recht schnell gefunden, ich war zu frueh. Also schnell ins Internetcafe und die Webseite auf den neuesten Stand bringen. Dann wartete ich vor dem Haus. Irgendwann hoerte ich jemand per Handy jemanden anrufen, was von einem Deutschen und einem Fahrrad sprechen. Kaum 5 Minuten spaeter stand Fatih vor mir und meinte “Willkommen”. Verstaendigen war kein Problem, mit einem Kauderwelsch aus Deutsch, Englisch und Haenden und Fuessen ging es unproblematisch. Fahrrad in die Garage verstaut, eine Dusche und ein Essen spaeter brachen wir auf, um in einem Teegarten Tee zu trinken.  Die Aussicht war super und der Tee lecker. Irgendwie versuchten wir dann noch draufzukommen, dass ich Jura studiert habe, was nicht so ganz einfach war, aber dann doch geklappt hat.

Dann weiter zur Tante. Ich wusste nicht, dass sie deutsch sprach und fragte sie. Ihre Antwort “A bissel” (fuer Norddeutsche: ein bisschen) in schoenstem Badisch. Wir sprechen ein wenig, trinken was und essen wieder was. Bei ihr war auch die Ersatzfestplatte, die ich nach dem Verlust in Bosnien noch mal bestellt hatte.

Fatih und ich gehen zurueck zu seiner Wohnung und sprechen per Instant Messenger mit Hussein in Deutschland. Vielen Dank zuallererst an Hussein fuer die ganze Organisation und alle Leute, die mit involviert waren. Vor allem fuer die Gastfreundschaft.

May 13, 2008   No Comments

Tag 49 (Türkei): Ruhetag in Istanbul III (Visa- und Magenprobleme)

Tagesstrecke: 0km
Gesamtstrecke: 3818km
Fahrzeit: 0h

Ich versuche mich zu bessern und die Berichte schneller online zu stellen. Asche auf mein Haupt.  

Ziel des Tages: ein Visum fuer den Iran, im Idealfall 30 Tage. Aber von Anfang an. Der sehr leckere (aber auch sehr buttergetraenkte) Iskender Kebab fuehrte zu mittelschweren Magenproblemen. Ich bin das einfach nicht mehr gewoehnt und es haute meinen Magen gleich mal um. Lecker auf jeden Fall, aber es gab einen Preis.  

Dann das Iran Visum. Ich gehe rein, der Beamte sieht meinen Reisepass und schaut mich an, meint auf deutsch: “Sie fahren Fahrrad!” Ich schaue ihn verwundert an, will das normalerweise nicht gleich sagen und frage ihn, woher er das wisse. “Sie sind fit und braungebrannt. Klar, dass Sie Radfahrer sind.” Klar, was sonst? OK, guter Start denke ich. Dann ein Zettel mit einer Webseite. Ich wollte das verhindern, er meinte, das ginge nicht. Also ins naechste Internetcafe, online Formulare ausfuellen. Ein Reisebuero steckt hinter der Sache, die erledigen die Sache fuer einen. Ich fuelle alles aus, will aber zurueck in die Botschaft. Hinter mir noch zwei Deutsche, die auch das gleiche Formular ausfuellen. Genaue Angaben zu Reisedaten und so weiter. Ich kann das nicht wirklich sagen. Schicke das Formular mit ungenauen Angaben ab. Dann drehe ich mich um, will gehen. Aus den Augenwinkeln sehe ich auf dem Shirt von einem der beiden Deutschen “4gradregen”. Ich denke ich falle um. Ingo und ich hatten uns vor der Abreise gemailt. Ihre Seite sollte man sich auf jeden Fall mal ansehen: www.4gradregen.de - ausserdem sind sie die ehemaligen Mitbewohner von Holm und Julia (www.strassenkreuzer.org), die auch gerade in der Tuerkei sind. Absoluter Zufall …

Ingo und Heike machen das Gleiche mit wie ich. Wir reden kurz und dann geht’s zur Botschaft. Es ist zu, geschlossen bis morgen. Verdammt. Ich bettele den Sicherheitsbeamten an, fasele was von morgiger Abreise. Er verschwindet, kommt wieder, laesst mich rein. Der gleiche Beamte hinter dem verdammt niedrigen Fenster. Das gleiche Laecheln auf dem Gesicht. Ich stelle mich dumm …. “verstehe nicht, warum ich das Reisebuero nehmen soll” und “Freunde von mir …”. Er scheint freundlich gestimmt. Ich versuche es weiter, das Visa am gleichen Tag zu bekommen. 10 Tage meinte er, wenn ich es hier abholen will. Eine Weiterleitung sei nur mit der Webseite moeglich. Verdammt. Dann: “Wenn etwas passiert, dann ist das Ihre Verantwortung.” Wessen denn sonst? “Natuerlich, ich mache Sie nicht verantwortlich.” Dann die erloesende Antwort: “Ich stelle es aus!” Jetzt Formulare ausfuellen, 60 EUR auf eine Bank einzahlen und zwei Passbilder und noch mehr Kopien. Bald ist Mittag, die machen dicht. Geld, kein Problem, die Bank ist gegenueber, Einzahlung ohne Probleme. Ingo und Heike warten draussen. Wir sprechen kurz, vielleicht versuchen sie es morgen, je nachdem, wie es bei mir ausgeht.

Versuch mal einer, Farbkopien in Istanbul zu bekommen. Tausende Kopierlaeden, keiner mit Farbe. Finde einen mit Scanner, die machen das von meinem Pass. Super.  Meine sind mit der Festplatte abhanden gekommen.

Ich komme zum dritten Mal in das Konsulat. Ich stehe da, will, dass er was sagt. Er bewegt sich nicht, man sieht ihn schlecht durch die dunkle Scheibe. Muss mich buecken, um mit ihm durch das kleine Fenster zu sprechen. Wollen wohl, dass man sich verbeugt. ”Kommen Sie morgen um 10 zurueck!” Ich kann es nicht fassen. Ich muesste von der anderen Seite wieder rueber und dann noch mal das Ganze, ohne zu wissen, dass es klappt. Ausserdem wollte ich weiter. Koennte er es mir nicht direkt erteilen? Aua. Er sieht mich an … und dann meint er grosszuegig, er wuerde es gleich ausstellen. Ich warte, hoffe auf 30 Tage. Steht auf dem Zettel, er hat es sicher gesehen und nichts gesagt. Schwanke innerlich zwischen Jubel und dem Gegenteil. Er kommt zurueck … 15 Tage. Verdammt … frage ihn, warum nur 15. Es ginge nicht anders. Kein weiteres Wort mehr. Muss das wohl im Iran machen. Sollte schon gehen. Aber zumindest kann ich einreisen, auch wenn ich in Armenien war.

Ingo und Heike sind immer noch draussen, wollen wissen, was passiert ist. Wir reden eine Weile ueber unsere Erlebnisse und verabschieden uns. Sie muessen zum Flughafen, die Eltern von Heike abholen. Schoene Reise Euch beiden: www.4gradregen.de.

Ich wollte eigentlich die Stadt weiter erkunden, aber mein Magen war nicht bereit das zuzulassen.

Ich ging ein wenig durch die Stadt, staendig unsicher und entschied mich zurueck zu gehen. Schade, aber morgen wird alles besser werden. Der Plan, in Istanbul Gewicht zuzulegen ist erstmal fehlgeschlagen.

May 12, 2008   No Comments

Tag 48 (Türkei): Ruhetag in Istanbul II

Tagesstrecke: 0km
Gesamtstrecke: 3818km
Fahrzeit: 0h

Alles Gute zum Muttertag. Wieder ein langsamer Anfang in einen Tag, der mit leckerem Essen und viel Leute und Dinge anschauen angefuellt war. Das Ganze nach einer Nacht mit schlechten Traeumen … gut, dass die vorbei waren. 

Wieder gibt es mehr Bilder als Text. Es war ein toller Tag, um die Stadt anzuschauen, als wir (Gokce’s Eltern und ihr Onkel und ihre Tante und ich) uns auf den Weg in die Stadt machten. Die war zum brechen voll. Formel 1 Wochenende in Istanbul und Muttertag.   

Wir stiegen auch auf den Galata Turm, von dem man einen sehr schoenen Blick ueber die Stadt hat.

 

Und trotz verlockender Angebote von anderen Fahrradgeschaeften werde ich meinem Fahrradgeschaeft Speedzone treu bleiben.

Schoener Ausklang des Tages ….

(alle Bilder sind anklickbar und fuehren zur flickr Seite, auf der noch mehr Bilder zu sehen sind)

May 11, 2008   No Comments

Tag 47 (Türkei): Ruhetag in Istanbul (habe ich was an den Augen?)

Tagesstrecke: 0km
Gesamtstrecke: 3818km
Fahrzeit: 0h

Achtung: mehr Bilder als Text (und sogar noch mehr Bilder hier: flickr Seite).

Kein Radfahren heute und trotzdem sehr lustig. Nach einem ruhigen Morgen gingen Haluk, der Vate von Gokce, und ich in die Stadt. Er ist ein super Tourifuehrer und machte den Tag einfach spannend. Mit dem Boot ueber die Hauptstrasse von Istanbul und dann ging es in den Topkapi Palast (trotz Tourihorden sehr schoen) und zur Hagia Sofia.

Dann kam der Moment, wo ich meinen Augen nicht traute. Philippe, was machst Du hier? Ein Studienfreund aus Stanford. Er war nur fuer einige Tage in Istanbul und ebenfalls auf kurzer Touritour.

Dann ging es zum Essen … Koefte in einem Restaurant, wo eigentlich nur Einheimische waren, obwohl es mitten im Touristenviertel ist. Einfaches, aber grossartiges Essen.

Dann ging es weiter in die Zisterne und den Grossen Basar. Ein Touritag, aber mit sehr, sehr viel Spass.

 

 

Gokces Vater ist extrem witzig und lustig. Es gab noch mehr Essen und dann wieder zurueck mit der Faehre. Vielen Dank an Gokces Vater, der mir die Orte viel besser naeher brachte, als ich es alleine haette koennen.

 

Wieder gibt es viel mehr Bilder auf der flickr Seite, einfach mal anschauen, wenn man Zeit hat.

May 10, 2008   No Comments

Tag 46 (Türkei): Gümüsjaka - Istanbul (eine andere Brücke)

Tagesstrecke: 114km
Gesamtstrecke: 3818km
Fahrzeit: 5-6h

Ich wachte vor Nurai und Ali auf. Alles war still im Haus. Ich wollte schauen, wie es um den Wind stand. OK, nicht besonders stark. Gutes Frühstück, eine sehr herzliche Verabschiedung und ich war auf dem Weg. Es sollte ein kurzer Fahrtag werden, am Tag vorher wollte ich km gemacht haben. Es wurden viel mehr, als ich dachte.

Die Strecke sollte 65km lang sein. Am Anfang lief alles wunderbar, der Wind war kein Faktor. Fastunfall in Silivri, weil ein Auto meinte ich solle abbiegen, obwohl ich klar gerade auswollte. Alles gut gegangen. Kurze Aufregung beim Fahrer. Ich war und bin in OK. Dann ging es auf wieder auf eine Art Autobahn, aber eigentlich die einzige nach Istanbul führende Strasse. Der Verkehr wurde hektisch, Autos fuhren überall dort hin, wo kein Platz war und jeder wollte an die gleiche Stelle. Dazwischen war ich. Es klappte aber alles, ein wenig Aufregung hier und da. Nervlich ein wenig aufreibend vielleicht, Hügel, um es nicht zu einfach zu machen. Nach dem Mittagessen ging es einen sehr steilen Anstieg hinauf und auf der anderen Seite lang und nett runter. Verkehr halt. Von rechts und links, vorne und hinten. Und es waren noch 30km. Dann kam Regen, es wurde ein wenig rutschig. Dann sah ich die Abzweigung, nach der ich gesucht hatte. Ein wenig spaeter als ich wollte, musste das Rad über eine Brüstung heben und den Hang runter schieben, aber auch das ging. Es ging an der Bahnschiene entlang und am Flughafen vorbei nach Istanbul ins Zentrum.

Autofahrer bremsen an merkwürdigen Punkten, alles chaotisch, aber die Bremsen am Rad machen Gott sei Dank alles mit. Dann kommt die Sonne wieder raus, ich fahre am Meer nach Istanbul rein. Die Stadtmauern kommen und gehen, Angler am Meer, spielende Kinder. Die Stadt oeffnet sich vor einem, die Minarette werden zahlreicher und hoeher. Dann war ich unterhalb der Blauen Moschee und konnte nichts anderes tun als laecheln. Es war zwar erst der Anfang der Reise, aber immerhin bin ich schon mal in Istanbul.

Es ging weiter ins Zentrum ans Goldene Horn. Ich traf einen Radfahrer, einfach an der Lenkertasche um seinen Hals erkennbar. Er wirkte gestresst, war am Tag vorher reingefahren und immer noch mitgenommen, wie es schien. Er hasste den Verkehr, war ueber die Strasse nicht gluecklich und so weiter und so fort. Er wollte nach Jerusalem. Auch das Essen war nur bedingt gut meinte er. Für mich war der Tag jetzt schon klasse und der Verkehr ist zum Aushalten. Leicht gesagt, wenn es rum ist und man vor dem Rechner sitzt.

Ich fuhr weiter durch dichten Stadtverkehr, hin und her durch Autoreihen hindurch und kam die Bosporus-Brücke. Rüberfahren nicht erlaubt, aber ich wollte es versuchen. Ich fragte einen Polizisten nach dem Weg, er meinte die Strasse rauf und dann rechts. Das machte ich auch. Wenn es bloed kommt, schicken sie mich zurück, dann kann ich es auf der zweiten Brücke versuchen. Dann kam dieses Schild.

Es steht nichts von Radfahrern da. Dann dieser Ausblick.

Dann das Schild, dass Radfahrer nicht raufdürfen. Kein Foto, zuviel Verkehr. Aber da ist man schon fast auf der Brücke. Und es gibt keine Abfahrt mehr. An einem Posten vorbei, kein Ruf, haette auch nichts gebracht. Der Verkehr war OK, ich auf der Bruecke und dann auch bald drueber. Ohne Foto ging es nicht.

Die Bezahlstation. Ich fuhr durch, mein Gewicht loeste einen Alarm aus, keiner kuemmerte sich drum und ich fahre weiter. Ich wollte die Eltern von Gokce treffen, einer Freundin aus Stanford. Ich fand die Siedlung und irgendwann nach langer Debatte durfte ich an den Sicherheitsleuten vorbei. Gokces Vater kam vorbei, fuhr einen steilen Berg vor mir her und dann war ich am Ende und am Ziel des Tages. Eine Nachbarin meinte noch, dass man über die Brücke eigentlich nicht rüberkommt und es verboten sei. Andere werden zurückgeschickt. Ich hatte wohl einfach Glück.

May 9, 2008   No Comments

Tag 45 (Türkei): Yenice - Gümüsjaka (schlafen wie ein Stein)

Tagesstrecke: 94km
Gesamtstrecke: 3704km
Fahrzeit: 6h

Ich wurde während der Nacht kein einziges Mal wach. Schilef wie ein Stein für mehr als 8 1/2 Stunden. Ich wollte nicht so spät raus, wollte Özcilek und Emine nicht so lange warten lassen. Beide saßen aber fröhlich im Wohnzimmer und betrachteten mich amüsiert, als ich herauskam. Nachdem ich dann auch wirklich wach war und wir gefrühstückt hatten, ging es dann recht spät los.

Die Idee Istanbul am gleichen Tag zu erreichen, hatte ich verworfen. Bei dem Wind nicht wirklich machbar. Ein kurzer Blick aus dem Fenster hatte am Morgen gereicht. Starker Wind von Osten. Aber die Sonne schien. Ich verabschiedete mich, nur um ein paar Stunden später wieder auf Özcilek zu treffen.

Die Fahrt war langsam und ermüdend, der Wind ziemlich unerbittlich. Er laugte mich aus. Bis Tekirdag schaffte ich nicht mehr als 13km/h im Schnitt. Ich hielt für einen Tee an, der mir angeboten wurde. Von da sah der Wind friedlich aus. Das Problem ist, dass der Wind es durch die leicht rollende Landschaft überall hinschafft. Normalerweise hat man auf den Anstiegen keinen Gegenwind, hier schon. Ich wollte einfach, dass der Wind aufhört. Habe ich jemals gesagt, dass ich Gegenwind gut finde oder dass ich bei Gegenwind stoisch werde? Ich habe gelogen. Ich gebe zu: ich hasse Gegenwind, der Fahnen stramm im Wind stehen läßt. Aber zumindest war die Fahrt ineressant.

Und die Fahrt war schön. Vielleicht braucht jemand einen neuen Bildschirmhintergrund (sieht ein wenig nach Windows XP aus, ein wenig zumindestens).

Ich kam in Terkirdag an und hörte gleich meinen Namen. Özcilek musste Bürokratie hinter sich bringen, bevor er wieder nach Deutschland ging. Wir tranken - was sonst - Tee. Mit ein wenig mehr Zucker als wenn Emine dabei ist. Dann ging es weiter. Internetcafe, besser hier warten als mehr Gegenwind dachte ich. Es half ein wenig … oder auch gar nicht. Erst ließ der Wind ein wenig nach, dann kam er wieder mit voller Wucht zurück. Es ging direkt in den Wind und irgendwann hatte ich keine Lust mehr der Sparringparter des Windes zu sein. Es machte keinen Spaß, es war ein ungleicher Kampf.

An der Tankstelle verstand jemand das Wort Markt nicht, wollte mich 10km weit weg schicken. Nope. Ich bog in das Dorf, wollte den ersten Menschen fragen, den ich traf. Es war ein Ferienort, niemand auf den Straßen. “Sprechen Sie deutsch?” war meine erste Frage. Tat er nicht. Aber der Mann (Ali)holte seine Frau (Nurai), die deutsch sprach. Sie war in Karlsruhe vor 30 Jahren. Ein Markt gebe es. Super. Ein Platz zum Zelten. Komischer Blick. Warum denn? Oben gebe es genügend Platz und vor allem ein Bett. Ich solle bleiben. Ich akzeptiere bereitwillig und obwohl Nurai behauptet sie spreche nicht viel deutsch, unterhalten wir uns ziemlich gut. Bis auf die Tatsache, dass sie dachte ich sei mit einem Motorrad unterwegs, was erst eine Stunde später klar wurde.

Ich zog mich um und als ich wieder unten war, stand schon Essen auf dem Tisch. Dann sprachen wir mit ihrer Schwester aus Karlsruhe, über die Tour und wie ich überhaupt ins Haus von Nurai und Ali kam. Es war ein tolles Ende eines windigen Tages. Nurai bezeichnete mich abwechselnd als “mein Kind” oder “mein Sohn”, als wir zu Bekannten die Straße runter gingen, die lange in Österreich gewohnt hatten.

May 8, 2008   No Comments

Tag 44 (Griechenland/Türkei): östlich von Alexandroupolis - Yenice

Tagesdistanz: 112km
Gesamtdistanz:
3609km
Fahrzeit: 7h

übellaunig … gespentisch I … gespenstisch II … abgewiesen … merkwürdige Dinge auf Türkeis Straßen (oder ich bin naiv) … die türkische Gastfreundschaft gibt es doch

Kein guter Anfang. Ich fühle mich mies. Ich will nichts essen, will nicht fahrradfahren. Der Himmel besteht aus Einheitsgrau. Es ist kalt. Mir ist schlecht, meine Beine wollen nicht. Zum ersten Mal durchfaehrt mich der Gedanke, “Was mache ich hier eigentlich? Warum bin ich hier in Ostgriechenland mit dem Rad unterwegs und warum fahre ichv gegen den Wind?”

Ich zwinge mich etwas zu essen und es geht etwas besser. Dann komme ich auf die Autobahn in Richtung Türkei. Klar, die falsche Strasse, aber das ist mir egal. Die Schilder sind nun mal so, ich will nicht Pfadfinder spielen. Runterschmeissen wäre eh nicht gegangen, die komplette Straße ist eingezäunt. Und es ist gespenstisch. Hier ist der Grund:

greece_ab

 (zum Betrachten des Videos auf das Bild drücken, es öffent sich in einem neuen Fenster)

Es schien kein Auto auf der Straße zu sein. Während meiner ganzen Fahrt von ca. 20 Minuten überholten mich sechs LKW und sieben Autos. Es gibt scheinbar keinen Verkehr zwischen Griechenland und der Türkei.

Grenzübertritt. Griechenland verabschiedet mich freundlich. Hände über dem Kopf zusammenschlagender Grenzer als ich auf seine Frage antworte, wo ich hinfahre.

Dann kam ich an die tatsächliche Grenze. Vielleicht bin ich ein naiver Europäer oder einfach einer, der sich an den Gedanken und die Realität des Schengen-Raums und fehltenden Grenzkontrollen gewöhnt hat. Aber was ich an der Grenze sah hinterließ bei mir nur Kopfschütteln. Soldaten in kleinen Häuschen, jeweils ca. 20m von einem Strich über die Brücke entfernt. Ich wollte ein Bild machen, ließ es sein. Am Grenzstrich ging das auch nicht, der türkische Soldat winkte eifrig und heftig, ich solle endlich machen, der griechische sah auch nicht begeistert aus. Vier Soldaten traten aus ihren ziemlich bescheuert aussehenden Häuschen heraus. Also fuhr ich weiter, bekam trotzdem ein freundliches “Willkommen in der Türkei!” und hielt dann kurz darauf an, um dieses Foto zu machen.

Auf der türkischen Seite keine wirklichen Formalitäten. Ich fuhr weiter. Das nächste Dorf, nicht wirklich interessant. Ich fuhr weiter. Ich kam an die erste Stadt und hatte kein Geld. Ich wollte einen Geldautomaten oder Geld wechseln. Gab es nur im Zentrum. Ich war in einem Einkaufszentrum. Ich wollte nicht hoch. Kreditkarte sollte gehen. Ich kam nicht mal in den großen Supermarkt rein. Ich sollte mein Rad um die Ecke stellen, abseits von allem. Ich weigerte mich, kam nicht in Frage. Reine Vorsichtamaßnahme, da hier mehrere Leute mich und das Rad schon gesehen hatten und sie wohl andere daran hindern würden, irgendwas zu machen, was ich nicht wollte. Ich ging. Geld wechseln ging auch nicht, trotz großem Schild wollte man meinen EUR 50 Schein nicht nehmen. Ich fragte warum (großes Fragezeichen im Gesicht), er zuckte nur mit den Schultern. Letzte Möglichkeit, ein anderer Supermarkt. Sie nahmen Kreditkarte und da tauchte auch schon ein Geldautomat auf. Alles wird gut.

Hügel folgte nun auf Hügel, kein Stückchen flach. Wind von vorne. Beständiger Wind von vorne. Sehr ermüdend. Ich wurde von der Kombination förmlich aufgefressen.

Dann passierte merkwürdgies. Oder ich bin gedanklich einfach langsam geworden. Eine Frau steht an der Straße, nichts ungewöhnliches hier, passiert häufig, Leute werden mitgenommen. Sie ist um die 30, daneben ein kleiner LKW, vielleicht ein Verwandter, der sehen will, dass alles OK ist. Ich fahre vorbei, sie sagt was, ich verstehe nichts, lächele und fahre weiter. 300m den Berg hoch mache ich dieses Bild.

Dann dieses.

Sie kam den Hügel hoch auf mich zu, immer noch im Begriff Autos anzuhalten. Sie kommt bis zu mir und läßt einen Wortschwall auf mich nieder. Ich habe keine Ahnung, was sie will. Versuche ihr das klar zu machen. Sie plappert weiter. Ich packe meine Kamera ein. Dann kommt eine universelle Geste … und dann wird mir alles klar. Hat auch lange genug gedauert. Ich schüttele den Kopf. Sie sieht nicht erfreut aus. Dachte wohl, dass mein Anhalten was mir ihr zu tun hatte. Sie wirft mir wohl ein paar Flüche zu.

Ein LKW hält an, nimmt sie mit. Ich sehe den LKW ein bis zwei km vor mir anhalten. Sie steigt aus. Ich fahre weiter, erreiche sie fast - sie steigt wieder in einen Transporter ein und ich sehe sie nicht wieder. Man kann mich naiv schimpfen, aber für mich kam es unerwartet, wo und wann dies passierte.

Ich komme in Malkara an und bin ziemlich ausgepumpt. Ich brauche eine Pause. Ich suche ein Internetcafe und jemand bringt mich hin. 8-jährige spielen Counterstrike, was für ein Anblick.

Noch mehr Wind und noch mehr Hügel. Dann kommt ein Dorf, in dem ich meine Sachen fürs Abendessen kaufen will. Der Händler kommt raus und schlägt mir die Tür vor der Nase zu. Nicht nur sprichwörtlich. Aua. Vielleicht ein Mißverständnis. Nein, nicht wirklich. Ich versuche zu erklären, dass ich was kaufen will. Er dreht sich um und geht weg. Andere starren mich an. Ich bin verärgert, frage mich, ob ich was falsch gemacht habe. Kleidung OK, nicht, dass es hier wichtig gewesen wäre. Die anderen rufen dem Händler nach, der geht einfach weiter. Keine Ahnung. Ich ziehe von dannen.

Ziemlich kaputt fahre ich weiter. Ein wenig enttäuscht und auch ein wenig Ärger ist auch noch da. Das nächste Dorf und ich beschließe dort zu bleiben. Egal, was passiert.

Ich komme an und eine Schar Kinder umringt mich. Fußballspielende Kinder. Oli Kahn, Michael Ballack … die Namen fallen schnell. Wir finden das kleine Geschäft, davor auch eine Frau, die deutsch spricht. Sie übersetzt, wo ich herkomme, wo ich hinfahre. Ihr Mann wird bald hier sein. Er hat 35 Jahre in Berlin bei Siemens gearbeitet. Platz zum Zelten gebe es schon, man werde was finden.

Özcilek kommt vorbei und es entwickelt sich schnell ein nettes Gespräch, viel Lachen und Spaß bei der ganzen Sache. Wir trinken den üblichen Tee mit anderen Männern, Frauen nicht zugelassen. Mein Fahrrad bleibt vor dem Geschäft stehen. Ich werde zum Dorfgespräch. Ein kleines Dorf. Aber Emine und Özcilek haben ein großes Herz. Zurück beim Fahrrad bietet Özcilek an, bei ihnen zu bleiben. In Anbetracht des Tages nehme ich an.

Eigentlich wollte Özcilek nur einige Jahre in Deutschland bleiben, es wurden 35 daraus. Seine zwei Söhne wohnen in Berlin und auch Özcilek wird wohl nach der Rente noch eine Weile dort bleiben. Wir unterhalten uns lange über Sport, Politik und andere Themen, meine Gesichte mit der Frau wird bestätigt. Özcilek war auch überrascht, als er es zum ersten Mal gesehen hatte. Um Mitternacht falle ich ins Bett, erschöpft, aber auch sehr, sehr dankbar.

May 7, 2008   No Comments